Österreich – SG #204

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Ich war gerade für ein paar Tage in Wien. In vier Stunden kann man von München mit dem Zug nach Wien reisen. Und weil man natürlich auch in Österreich die deutsche Sprache spricht, erzähle ich heute etwas über dieses Nachbarland. Das dortige österreichische Deutsch unterscheidet sich in der Aussprache sehr – und auch viele Wörter sind anders. Während wir Aprikosen essen, essen die Österreicher Marillen. Tomaten heißen Paradeiser, Pfannkuchen Palatschinken und Taxifahrer sind dort die Taxilenker. Zudem gibt es natürlich noch unterschiedliche österreichische Dialekte – manche davon sind auch für mich schwer zu verstehen.

Fast drei Viertel des Landes sind gebirgig, denn die Alpen ziehen sich durch Österreich. Der höchste Berg ist der Großglockner mit 3798 Metern. Am westlichen Ende des Landes gehört ein Teil des Bodensees zu Österreich.

Österreich hat 8,8 Millionen Einwohner und neun Bundesländer: Das Burgenland, Kärnten, Niederösterreich, Oberösterreich, Salzburg, die Steiermark, Tirol, Vorarlberg und Wien. Wien ist die größte Stadt des Landes und gleichzeitig die Hauptstadt. Andere große Städte sind Salzburg, Innsbruck, Linz und Graz.

Wer durch Wien geht, der sieht im Zentrum die Hofburg. Das ist ein imposantes Schloss. Denn ab 1246 herrschten die Habsburger, das war eine adelige Familie. Vielleicht kennt Ihr auch die bekannte bayerische Prinzessin Sisi, die später zur österreichischen Königin wurde und dann sogar zur Kaiserin? Sie lebte in diesem Schloss.

Ich kann nicht die gesamte Geschichte Österreichs in einer Episode dieses Podcasts wiedergeben. Kurz gesagt war es einmal ein großes und mächtiges Land. Denn ab 1804 gab es hier das Kaisertum Österreich, ab 1867 sogar die Doppelmonarchie Österreich-Ungarn – es war damit der zweitgrößte Staat Europas. Eine wichtige Rolle spielte Franz Joseph. Er war erst 18 Jahre alt und löste den kranken Kaiser ab. Unter ihm wurde das Land zur konstitutionellen Monarchie. 68 Jahre lang regierte er das Land.

Heute ist Österreich keine Monarchie mehr. Der Adel wurde abgeschafft. Die Republik gibt es seit dem Ende des Ersten Weltkrieges 1918. Österreich-Ungarn hatte den Krieg verloren. Südtirol ging an Italien über und gehörte nicht mehr zu Österreich. Auch Ungarn trennte sich. Die Landesgrenzen wurden neu gezogen.

Zwanzig Jahre später herrschten die Nazis in Österreich, Adolf Hitler war Österreicher. 1938 waren die Deutschen einmarschiert. Auch hier gab es die Judenverfolgung. Nach dem Kriegsende 1945 und dem Ende der Besatzung wurde Österreich 1955 wieder ein eigener Staat. Politisch ist Österreich eine föderale, parlamentarisch-demokratische Republik. Es gibt ein Zweikammersystem, das aus Nationalrat und Bundesrat besteht. Regiert wird das Land heute von Bundeskanzler Sebastian Kurz und es ist Mitglied in der Europäischen Union.

Text der Episode als PDF: https://slowgerman.com/folgen/sg204kurz.pdf

Die deutsche Polizei – SG #203

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Es gibt eine Sache, die wechselt gerade die Farbe in Bayern. Und damit meine ich nicht die Politik. Ich meine die Polizei. Früher waren die Polizeiautos nämlich grün-weiß. Später dann grün-silber. Jetzt werden die Polizeiautos langsam silber-blau. Das ist doch ein schönes Zeichen dafür, etwas mehr über die Polizei in Deutschland zu erzählen, oder?

Die Polizei ist verantwortlich für die innere Sicherheit. Sie sorgt dafür, dass wir hier sicher leben können und dass Gesetze eingehalten werden. Sie ist die sogenannte Exekutive.

Es gibt verschiedene Arten von Polizei in Deutschland. Fangen wir an mit der Bundespolizei. Bis 2005 hieß diese Polizei „Bundesgrenzschutz“, denn das war ihre Hauptaufgabe. Sie musste die Grenzen Deutschlands schützen. Die Bundespolizei siehst Du auch am Flughafen oder am Bahnhof. Sie sichert Ministerien und ist auch im Ausland unterwegs und sie hilft bei Katastrophen. Rund 47.000 Menschen arbeiten hier.

Ebenfalls deutschlandweit arbeitet das Bundeskriminalamt. Hier geht es kurz zusammengefasst um schwere Kriminalität und Terrorismus sowie den Staatsschutz. Die Terrorismus-Abteilung wurde 1975 aufgebaut, um gegen die RAF zu ermitteln. Der Generalbundesanwalt kann das abgekürzt BKA genannte Bundeskriminalamt mit Ermittlungen beauftragen. Das BKA ist auch für DNA-Analysen zuständig: Hier werden die DNA-Daten von Kriminellen und Tatorten gespeichert. Das BKA ermittelt, wenn es um Drogen, Waffen, Sprengstoff oder Falschgeld geht. Das BKA schützt Bundespräsident und Kanzlerin und weitere wichtige Personen. In den verschiedenen Standorten des BKA arbeiten rund 5500 Menschen.

Die dritte deutsche Polizeibehörde ist die, die am wenigsten bekannt ist. Sie nennt sich „Polizei beim Deutschen Bundestag“ oder einfach nur Parlamentspolizei. Sie ist wie der Name schon sagt für das Gelände und die Gebäude des Bundestages verantwortlich. 210 Beamte arbeiten hier. Die Parlamentspolizei wurde nach dem Zweiten Weltkrieg geschaffen. Sie soll gewährleisten, dass die Politiker sicher und ungestört ihrer Arbeit nachgehen können.

Jetzt kommen wir zu den einzelnen Bundesländern. Die Länder haben die Polizeihoheit – das steht in der deutschen Verfassung, also dem Grundgesetz. Das hatten die Alliiertennach dem Krieg schon so angeordnet. Vieles hat man aus der Nazizeit gelernt. Daher wurden einige Bereiche voneinander getrennt, damit nicht zu viel Macht an der gleichen Stelle ist. Es gibt Polizeigesetze, in denen genau festgehalten ist, welche Aufgaben die Polizei hat, was sie darf und was nicht. Ihre Hauptaufgabe ist die sogenannte Gefahrenabwehr. Das sind die Polizisten, die man durch die Gegend fahren oder gehen sieht. Sie sorgen für die Sicherheit der Menschen. Man nennt das übrigens „auf Streife gehen“.

Die zweite Zuständigkeit ist die Strafverfolgung. Wenn eine kriminelle Tat geschehen ist, zum Beispiel ein Diebstahl, dann versucht die Polizei, diese Tat aufzuklären. Sie versucht also, den Täter zu finden, damit er bestraft werden kann.

Du merkst schon: Die Polizei hat viele verschiedene Aufgaben. Sie macht zum Beispiel Alkoholkontrollen bei Autofahrern, hilft bei Unfällen, nimmt Drogendealer fest und sichert große Veranstaltungen wie das Oktoberfest in München. Aus eigener Erfahrung kann ich Dir aber auch sagen, dass die Polizisten an Schulen gehen um dort den Kindern sicheres Fahrradfahren beizubringen. Manchmal spielen sie sogar ein kleines Puppentheater, um den Kindern die Verkehrsregeln zu erklären.

Die alte Uniform der Polizisten waren übrigens eine sandfarbene Hose und ein grünes Oberteil, eine Art Jacke. Die neuen Uniformen sind moderner und dunkelblau. Es gibt uniformierte Polizisten und Polizisten in Zivil, die nicht erkannt werden. Polizisten sind Beamte auf Lebenszeit, sie sind also beim Staat angestellt. Insgesamt sind rund 300.000 Menschen bei der Polizei beschäftigt.

Erst seit den 80er-Jahren dürfen übrigens auch Frauen die Polizeiuniform tragen. In Bayern dauerte es sogar bis 1990.

Nachhaltigkeit und Klimawandel – SG #202

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Ich weiß, dass Slow German auf der ganzen Welt gehört wird. Das freut mich sehr. Du weißt sicher, dass der Klimawandel fast nicht mehr aufzuhalten ist. Er wird das Leben auf der Erde stark verändern. Und weil wir alle zusammen nun dafür sorgen müssen, dass unsere Erde auch für unsere Kinder und Enkel bewohnbar bleibt, möchte ich heute über die Dinge sprechen, die jeder einzelne von uns tun kann. Was meinst Du – hast Du Lust, mitzumachen? Überdenke Dein Leben und versuche eine Kleinigkeit zu verbessern. Das reicht schon!

Fangen wir an mit der Müllvermeidung. Bei uns sind die Mülltonnen immer sehr voll. Und ich bringe viel Plastikmüll zum Container. Wie kann ich das ändern? Ich versuche schon beim Einkauf darauf zu achten, wie Dinge verpackt sind. Ich versuche, Plastikverpackungen zu vermeiden. Zum Beispiel kaufe ich festes Shampoo und Zahnputz-Tabletten. Beide sind in Papier verpackt. Ich kaufe Tomaten unverpackt und nehme meine eigenen kleinen Netze mit, um sie zu transportieren. Und ich kaufe Dinge im Laden, anstatt sie mir schicken zu lassen – so wird auch Verpackungsmüll und Transport-Energie gespart. Ganz wichtig: Nur so viel kaufen, wie wir auch brauchen. So landen nicht so viele Lebensmittel im Müll. Denn diese wurden mit viel Energie hergestellt und transportiert, also sollen sie nicht im Müll landen. Ich habe übrigens immer eine kleine Stofftasche dabei, wenn ich einkaufen gehe. So vermeide ich Plastiktüten für den Transport.

Nächster Punkt: Der Konsum. Es macht Spaß, Dinge zu kaufen. Das ist für viele Menschen so. Wir denken oft nicht darüber nach. Frust in der Arbeit? Shoppen gehen ist für manche Menschen die Lösung. Das sollte nicht so sein. Wir sollten überlegen, was wir kaufen. Ich habe begonnen, Dinge wieder zu reparieren, wenn sie kaputt sind. Früher habe ich sie weggeworfen. Ich teile mir auch Dinge – zum Beispiel die Heckenschere. Früher hätte ich meine eigene gekauft. Überlege Dir vor dem Kauf, ob Du die Dinge wirklich brauchst, und versuche, weniger zu kaufen. Ist es unbedingt nötig, alle zwei Jahre ein neues Handy zu haben? Nein. Das hat uns nur die Werbung so gesagt.

Beim Energie sparen macht die Sache schon fast Spaß: Ich versuche jedes Jahr, weniger Strom zu verbrauchen. Denn in Deutschland kommt viel Strom noch aus Kohlekraftwerken, und die sind für das Klima schädlich. Ich beziehe zwar Ökostrom, also Strom der aus regenerativen Energien wie Wind und Sonne kommt, aber trotzdem geht es ums Sparen. Mach das Licht aus, wenn Du einen Raum verlässt. Kaufe Dir LED-Lampen, die viel weniger Strom brauchen als Glühbirnen. Und wenn Du das nächste Mal einen Kühlschrank oder ein anderes Gerät kaufst achte darauf, dass es wenig Strom verbraucht. Vielleicht kannst Du auch Deine Wäsche in der Wohnung oder im Garten aufhängen, anstatt einen Trockner zu benutzen. Das spart sehr viel Strom! Gehe durch Deine Wohnung und überprüfe, wo Strom verschwendet wird. Zum Beispiel durch Standby-Geräte. Viele Geräte sind nie ganz aus, sondern auf Standby. Auch das verbraucht Strom. Bei uns hängen diese Geräte an einer abschaltbaren Steckerleiste. Wenn sie aus sind, sind sie aus. Auch der Computer wird ausgeschaltet, statt die ganze Nacht auf Standby zu sein.

Am schwierigsten finde ich es, mein Verhalten zu ändern, was den Verkehr angeht. Aber genau hier geht es um die sogenannte CO2-Bilanz und den Klimawandel. Wir sollten weniger unterwegs sein. Vor allem weniger fliegen. Ich werde versuchen, dieses Jahr gar nicht zu fliegen – oder sehr wenig. Ich werde mehr mit der Bahn fahren. Auch versuche ich, seltener mit dem Auto zu fahren. Kleine Strecken gehe ich zu Fuß oder fahre mit dem Fahrrad, auch wenn das länger dauert und bei schlechtem Wetter unbequem ist. Ich versuche, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Kannst Du das auch probieren? Kannst Du versuchen, weniger zu fliegen oder weniger mit dem Auto zu fahren? Das wäre toll!

Drei Punkte habe ich noch für Dich. Einer davon sind Bio-Produkte. Ich weiß nicht,

Thomas Mann – SG #201

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Wenn Du mich ein wenig kennst, dann weißt Du, dass ich eine Leseratte bin. So nennt man einen Menschen, der gerne Bücher liest. Ich liebe Bücher. Und daher habe ich hier in Slow German auch schon oft über deutsche Literatur gesprochen. Zum Beispiel über Hermann Hesse, Heinrich Heine oder Schiller und Goethe. Eine große Figur habe ich bislang ausgelassen, und das hole ich heute nach: Thomas Mann.

Thomas Mann wurde 1875 in Lübeck geboren, das liegt im Norden von Deutschland. Sein Vater war ein Kaufmann. In der Schule war Thomas nicht gut, er blieb sitzen und schrieb auch in Deutsch schlechte Noten. Aber er schrieb schon als Teenager gerne Geschichten. Nach dem Tod des Vaters wurde die Firma verkauft. Der Vater hatte im Testament angeordnet, dass das geschieht. Offenbar traute er seinen Söhnen nicht zu, das Unternehmen weiterzuführen.

Also zog die Mutter mit ihren Kindern nach München. Thomas arbeitete in einem Büro und langweilte sich. Er hatte Glück und seine erste Novelle wurde 1894 veröffentlicht. Der Erfolg tat ihm gut: Er kündigte seinen Job und ging mit seinem Bruder nach Italien. 1901 folgte dann Manns erster Roman: „Buddenbrooks“. Es ist die Geschichte einer Familie. Thomas Mann verarbeitet darin die Geschichte seiner eigenen Familie und anderer Menschen, die er aus Lübeck kannte. Das Buch ist so erfolgreich, dass Thomas Mann ab jetzt keine finanzielle Unterstützung seiner Familie mehr braucht. 28 Jahre später bekam er für dieses Buch den Nobelpreis für Literatur. Es gilt als ein wichtiges Werk der Weltliteratur.

Thomas Mann heiratete und bekam mit seiner Frau sechs Kinder. Heute werden ihm „homoerotische Neigungen“ zugeschrieben, aber wahrscheinlich war die Zeit einfach noch nicht reif, um diese auch offen zu leben. Seine Frau Katia unterstützt ihn sehr. Die Kinder sagen später, dass es eine glückliche Ehe war.

Sein Roman „Der Zauberberg“ wurde ein großer Erfolg. Als Hitler an die Macht kam war Thomas Mann ein wichtiger Gegner des Nationalsozialismus. Er nannte ihn barbarisch. Die Nazis nahmen den Manns Großteile ihres Vermögens weg, später auch die deutsche Staatsbürgerschaft. Der Schriftsteller rief jeden Monat über die BBC die Deutschen zum Widerstand auf.

Die Familie emigrierte zuerst nach Frankreich und dann in die Schweiz. 1938 zogen sie dann endgültig in die USA. Es war schwer für die Familie, ihre Heimat zu verlassen. Thomas Mann fühlte sich entwurzelt, sagte aber in einem Interview mit der New York Times: „Wo ich bin, ist Deutschland. Ich trage meine deutsche Kultur in mir.“ Er arbeitete sehr diszipliniert. Jeden Vormittag schrieb er drei Stunden lang, dann machte er einen Spaziergang und aß zu Mittag. Danach widmete er sich Recherchen für neue Projekte und nach einer kleinen Pause schrieb er Briefe. Abends wurde erst gegessen, dann las er seiner Familie vor, was er vormittags geschrieben hatte.

1952 zog er wieder in die Schweiz zurück. Dort starb er im Alter von 80 Jahren.

Insgesamt hat Thomas Mann acht Romane geschrieben. Schon zu seinen Lebzeiten war er sehr erfolgreich. Aber nicht alle mochten ihn. Viele Leser warfen ihm vor, zu intellektuell zu sein. Manchen war er zu deutsch oder zu bürgerlich. Ich habe seine Bücher sehr gerne gelesen, aber man braucht Zeit dafür: Der Zauberberg beispielsweise ist über 1000 Seiten lang.

Das Foto: Bundesarchiv, Bild 183-H28795 / CC-BY-SA 3.0

„Buddenbrooks“ wurde mit vielen berühmten deutschen SchauspielerInnen verfilmt. Hier der Trailer:

Text der Episode als PDF: https://slowgerman.com/folgen/sg201kurz.pdf

Frühstück und Arbeit / Kleiner Alien Dialog #3

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Ein kleiner Außerirdischer kommt auf die Erde. Er möchte mehr über Deutschland lernen. Also stellt er Fragen.

Guten Morgen!
Zacki, so früh schon auf den Beinen?
Ja, ich habe mir extra den Wecker gestellt, um zu Dir zu kommen.
Das ist nett von Dir.

Fi…

SG #200: Menschen mit Behinderung

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Das hier ist die 200. Episode meines Podcasts Slow German.

Ich habe lange überlegt, über welches Thema ich sprechen soll. Besonders wichtig ist die Frage, wie es Menschen mit Behinderung in Deutschland ergeht.

In Deutschland leben rund 10 Millionen Menschen mit einer Behinderung, davon sind mehr als 7,6 Millionen schwerbehindert. Einer von ihnen ist Steffen Prey (Foto links). Mit ihm habe ich gesprochen, um mehr zu erfahren.

Eine Besonderheit: Das Original-Interview kannst Du Dir hier anhören:

Es ist nicht leicht zu verstehen – wir sprechen normal schnell und durchs Telefon. Daher habe ich es auch abgetippt – hier kannst Du den Text mitlesen (–> PDF).

Noch eine Besonderheit: Zu dieser Folge siehst Du das Premium-Material, auch wenn Du kein Abonnent bist. Also Lernmaterial als PDF am Ende dieser Seite und einen zweiten Player mit der schnelleren Version. Viel Spaß!

Fangen wir mit der Sprache an. Wie spreche ich überhaupt korrekt über dieses Thema? Früher sagte man „Behinderte“. Heute ist es richtiger, „Mensch mit Behinderung“ oder „Mensch mit Beeinträchtigung“ zu sagen. Der Hintergrund dazu: Jeder Mensch ist unterschiedlich. Er definiert sich nicht ausschließlich dadurch, dass er eine Behinderung hat, sondern über viele verschiedene Faktoren. Ein Behinderter ist in erster Linie behindert. Ein Mensch mit Behinderung ist in erster Linie ein Mensch. Auch das englische Wort Handicap wird oft benutzt. Du kannst also auch sagen: Ein Mensch mit Handicap. Oder sogar eingedeutscht „ein gehandicappter Mensch“.

Noch ein Wort hat sich geändert. Während früher Menschen die nicht hören konnten oft als „taubstumm“ bezeichnet worden sind, gilt das heute als Beleidigung. Der richtige Ausdruck ist „gehörlos“. Und dann gibt es natürlich noch die blinden und sehbehinderten Menschen.

Bleiben wir bei den Begriffen, die wir für dieses Thema brauchen. Das Wort Barrierefreiheit fasst viele Dinge zusammen. Zum einen geht es darum, wie zum Beispiel Menschen im Rollstuhl sich in der Stadt fortbewegen können. Gibt es einen Lift zur U-Bahn oder nur eine Rolltreppe? Ist der Gehweg an der Ampel abgesenkt oder hoch? Hat der kleine Laden an der Ecke eine schwere Eisentür oder eine Schiebetür, die sich von selbst öffnet? Zur Barrierefreiheit gehören aber auch andere Bereiche des Lebens, zum Beispiel im Internet. Hat ein Video Untertitel, damit gehörlose Menschen mitlesen können? Gibt es Bildbeschreibungen für Sehbehinderte? In all diesen Bereichen müssen wir darauf achten, dass sie für alle Menschen zugänglich sind.

Wenn ich ins Einkaufszentrum fahre, dann gibt es bestimmte Parkplätze in der Tiefgarage, die mit einem Rollstuhl-Symbol gekennzeichnet sind. Das sind spezielle Parkplätze für Menschen mit einer Behinderung. Hier dürfen aber nicht alle Menschen mit Behinderung parken. Reserviert ist der Parkplatz für blinde Menschen (die natürlich nicht selber fahren, sondern gefahren werden) und für stark gehbehinderte Menschen, also zum Beispiel Rollstuhlfahrer.

Und weil in Deutschland die Behörden alles sehr exakt regeln, gibt es für Menschen mit Behinderung einen sogenannten Schwerbehindertenausweis. Dieser Ausweis zeigt an, welchen Grad einer Behinderung ein Mensch hat. Steht dort beispielsweise ein „G“ bedeutet das, dass der Mensch nicht gut laufen kann, sich also nicht normal bewegen kann. Steht dort ein „H“, dann bedeutet das, dass der Mensch hilflos ist. Das kann beispielsweise bei Demenzerkrankungen so sein. Dann gibt es noch weitere Einstufungen für blinde oder gehörlose Menschen und einige andere. Dieser Ausweis bringt einige Vergünstigungen. Steffen darf zum Beispiel mit einer Begleitperson kostenlos mit dem Bus oder der U-Bahn fahren. Er muss auch weniger bezahlen, wenn er ins Kino geht, denn der Schwerbehindertenausweis ermöglicht ihm günstigere Tickets. Bei manchen Behinderungen müssen die Betroffenen weniger Steuern für ihr Auto bezahlen. Oder sie bekommen kostenlos Hilfe im Alltag von einer so genannten Assistenz…

SG #199: Jakob Fugger und die Fugger-Familie

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Jeff Bezos und Bill Gates sind die beiden reichsten Männer der Welt. Ich möchte Dir aber heute etwas von einem Mann erzählen, der in seiner Zeit noch viel reicher war als diese beiden Herren: Jakob Fugger. Wenn Du es auf heutige Verhältnisse umrechnest, betrug sein Vermögen 400 Milliarden Dollar. Und: Er war der erste dokumentierte Millionär überhaupt.

Geboren wurde Jakob Fugger 1459 in Augsburg, das liegt in Bayern. Seine Familie waren erfolgreiche Handelsleute. Sie hatte ihr Geld hauptsächlich mit dem Baumwollhandel mit Italien verdient. Jakob war also bereits wohlhabend, als er zur Welt kam. Er hatte in Venedig gelernt, ein guter Kaufmann zu sein, er lernte über das Bankwesen und über das Metallgeschäft. Danach baute er das Familienunternehmen aus, er machte es also größer. Die Fugger bauten Silber und Kupfer ab und andere Bodenschätze. Sie lieferten es bis nach Indien.

Aber es gab noch einen weiteren Geschäftszweig: Jakob Fugger wurde Bankier. Er finanzierte den Aufstieg eines Kaisers und lieh den herrschenden Adeligen Geld. Dadurch konnte Jakob Fugger die damalige Politik in Europa beeinflussen. Er war eng mit den Habsburgern verbunden, und als diese an die Macht kamen lieferte Fugger ihnen Waffen und Geld.

Um immer gut informiert zu sein, schuf Fugger einen eigenen Nachrichtendienst. So wusste er als Erster, wenn ein Schiff gesunken war oder etwas anderes nicht geklappt hatte. Er arbeitete viel, knüpfte Kontakte und ging auch Risiken ein, um Gewinn zu machen. So wurde er immer reicher.

Bis hierhin klingt das noch nicht so toll, oder? Jakob Fugger stiftete eine Kapelle in der Augsburger St. Anna-Kirche. Es ist der erste Renaissancebau Deutschlands und dort wurden die Fugger-Brüder später auch begraben. 1521 wurde die Fuggerei gestiftet. Das war eine Armensiedlung in Augsburg, in der Handwerker leben konnten. Sie existiert noch heute und ist die älteste erhaltene Sozialsiedlung der Welt. 52 Reihenhäuser waren es zu Beginn, später dann 67. Heute leben hier 150 Menschen. Nicht jeder Mensch darf hier wohnen, denn es gibt Regeln, die seit 1521 eingehalten werden müssen. Einziehen dürfen nur arme Augsburger. Sie müssen katholisch sein und täglich drei Gebete für die Familie Fugger sprechen. Dafür bezahlen sie für eine 60 Quadratmeter große Wohnung weniger als einen Euro Miete – pro Jahr. Dazu kommen noch Heizkosten.

Jakob Fugger kaufte Grafschaften und wurde durch seinen Landbesitz in den Adelsstand erhoben. Dass ein Kaufmann zum Grafen werden konnte, das war damals noch nie dagewesen. Die Menschen nannten ihn „der Reiche“. Sein Einfluss reichte bis in den Vatikan: Als es einen neuen Papst gab, finanzierte Fugger die Anwerbung der Schweizergarde, also die Bewacher des Papstes, die es heute noch gibt.

Und privat? Nun, privat heiratete Jakob Fugger im Alter von 39 Jahren eine 18-Jährige. Kinder bekamen sie keine. 1525 starb Jakob Fugger im Alter von 66 Jahren. Sein Vermögen ging an die beiden Neffen über.

Komm mit in die Fuggerei – so sieht es da aus:

Text der Episode als PDF: https://slowgerman.com/folgen/sg199kurz.pdf

SG #198: Banken und Finanzen in Deutschland

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Die Stadt Frankfurt am Main ist das Finanzzentrum Deutschlands. Hier haben die großen Banken ihre Zentrale. Es wird höchste Zeit, dieses Thema mal anzupacken, auch wenn Wirtschaft und Finanzen eher trocken sind. Wenn ein Thema trocken ist bedeutet das, dass es nicht sehr spannend ist, sondern sehr theoretisch. Ich versuche es trotzdem für Dich so spannend wie möglich zu machen, ok? Das Bankensystem nennt man übrigens Bankwesen. Und das deutsche Bankwesen ist eines der größten der Welt. Was Du genau bei einer Bank machen kannst, darüber habe ich schon in Episode 54 von Slow German geredet.

Es gibt aber eine Sache, die ist im deutschen Bankwesen anders als im Rest der Welt. Bevor ich Dir verrate, was das ist, muss ich Dir erstmal erklären, welche drei wichtigen Arten von Banken es in Deutschland gibt. Man nennt das auch ein Dreisäulensystem.

Erstens: die öffentlich-rechtlichen Banken. Das sind Banken wie die Sparkasse. Diese Banken gehören der Gemeinde, dem Landkreis oder dem Bundesland. Sie sind regional beschränkt, arbeiten also nicht in ganz Deutschland, sondern in ihrem kleinen Gebiet. Sparkassen siehst Du überall, in jedem kleinen Dorf. Hier tragen Kinder ihr Taschengeld hin und zahlen es auf das erste Sparkonto ein. Denn die Sparkasse ist wie der Name schon sagt dafür da, dass die Menschen ihr Vermögen vermehren durch Sparen. Sparkassen geben aber natürlich auch Kredite.

Zweitens: die Genossenschaftsbanken. Bei einer Genossenschaftsbank kannst Du nicht nur Kunde sein, sondern Mitglied. Du kannst sogenannte Genossenschaftsanteile kaufen. Dadurch gehört Dir dann ein kleiner Teil der Bank. Die bekannteste Genossenschaftsbank in Deutschland ist wohl die Volks- und Raiffeisenbank. Auch sie arbeitet regional und hat in vielen kleinen Gemeinden eine Filiale.

Drittens: die Privatbanken. Zu den Privatbanken gehören die großen internationalen Banken aber auch deutsche Banken wie die Commerzbank und die Deutsche Bank.

Und was ist jetzt anders in Deutschland als im Rest der Welt? Ich verrate es Dir: In Deutschland haben die Privatbanken einen sehr niedrigen Anteil. Fast 1900 Geldinstitute gibt es in Deutschland, insgesamt mit mehr als 32.000 Filialen. Sind die Deutschen gut, was das Bankwesen angeht? Nein. Verglichen mit anderen Ländern sind die deutschen Banken nicht sehr profitabel.

Kurz ein paar Worte zur Geschichte der Banken: Die erste deutsche Bank gab es schon 1486. Es war die Fugger-Bank. Wer die Fugger waren, muss ich Dir unbedingt bald erzählen, das ist eine sehr interessante Familie. Später entstanden die ersten Sparkassen. Ihr Sinn war es, dass ärmere Menschen ihr Geld einzahlen konnten und dieses dann durch Zinsen mehr wurde – damit sie im Alter oder bei Krankheit darauf zurückgreifen konnten.

Auch die ersten Genossenschaftsbanken wollten etwas Gutes für die Menschen tun. Nachdem es im Jahr 1842 eine sehr schlechte Ernte gab, bei der die Bauern kaum Gewinne einfahren konnten, rief ein Herr namens Friedrich Wilhelm Raiffeisen eine Kreditgenossenschaft ins Leben. Hier sparten die Mitglieder Geld an, konnten sich aber auch Geld günstig leihen, wenn sie zum Beispiel Vieh oder Geräte kaufen wollten. Die Menschen halfen einander.

Und die Großbanken, die wir heute kennen, sind auch schon sehr alt: 1870 entstand die Commerzbank, einen Monat später die Deutsche Bank und zwei Jahre später die Dresdner Bank.

Die Commerzbank übernahm 2008 für fast 10 Milliarden Euro die Dresdner Bank. Zwei Wochen später ging Lehman Brothers pleite – und die Finanzkrise war da. Die Commerzbank musste vom deutschen Staat gerettet werden. Viele Milliarden Euro an Steuergeldern wurden investiert. Seither gehören 15% der Commerzbank dem deutschen Staat. 2019 wurde über eine mögliche Fusion von der Commerzbank mit der Deutschen Bank berichtet – aus der wurde aber nichts.

So, und jetzt noch ein Satz zur sogenannten Bundesbank. Das ist die Zentralbank von Deutschland. Sie ist eine Bundesbehörde.

SG #197 – Gewerkschaft und Betriebsrat

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Zunächst einmal möchte ich erklären, was eine Gewerkschaft ist. Eine Gewerkschaft ist eine Gruppe von Arbeitern, die sich freiwillig zusammengeschlossen haben. Diese Gewerkschaft kämpft meistens für eine bestimmte Branche. Ihre Ziele sind höhere Löhne, die Verkürzung der Arbeitszeit oder die Verbesserung der Arbeitsbedingungen.

Denn stelle Dir diese Situation vor: Du bist ein kleiner Arbeitnehmer und Dein Chef verlangt von Dir plötzlich, für die Hälfte zu arbeiten. Du kannst Dich natürlich wehren – aber Du hast nur eine kleine Stimme. Daher wird Dir in Verhandlungen nicht zugehört. Wenn aber eine Gewerkschaft verhandelt, dann ist diese viel stärker als ein einzelner Arbeitnehmer. Daher schließen sich Menschen aus dem gleichen Berufszweig zusammen.

In Deutschland gibt es viele verschiedene Gewerkschaften. Man kann sie auch Interessensvertretung nennen, weil sie für die Interessen der Arbeiter kämpfen. Es gibt acht besonders große Gewerkschaften. Über ihnen steht der DGB, der Deutsche Gewerkschaftsbund. Man nennt den DGB eine Dachorganisation. Und jetzt kommen die acht großen Gewerkschaften: IG Metall, Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, IG Bergbau, Chemie, Energie, IG Bauen-Agrar-Umwelt, Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten, Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft, Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft und die Gewerkschaft der Polizei. Du merkst schon, die meisten Berufe sind hier schon abgedeckt.

Die Gewerkschaften verhandeln oft mit den Arbeitgebern über so genannte Tarifverträge. In solchen Verträgen steht drin, dass für die gesamte Branche einheitliche Löhne bezahlt werden. In die Verhandlungen darf sich der Staat nicht einmischen. Das geht nur die Arbeitgeber und die Arbeitnehmer etwas an. Oft führen die Verhandlungen zu einem Streik der Arbeitnehmer, wenn sie mit den angebotenen Bedingungen nicht einverstanden sind. Das kann ein Warnstreik sein, bei dem die Arbeitnehmer für eine bestimmte Zeit die Arbeit niederlegen. Es kann aber auch länger dauern. Gemerkt haben das viele, als zum Beispiel die Erzieher von Kindergärten gestreikt haben. Oder wenn mal wieder die Fluglotsen streiken und niemand in den Urlaub fliegen kann. So ärgerlich das für viele Menschen ist – es ist wichtig, dass die Angestellten sich durch einen Streik gegen schlechte Arbeitsbedingungen wehren können.

Früher waren die deutschen Gewerkschaften übrigens wichtiger als heute. Immer weniger Menschen organisieren sich heute in Gewerkschaften. In den DGB-Gewerkschaften sind es noch rund 6 Millionen Arbeitnehmer. Entstanden sind die nationalen Gewerkschaften in Deutschland in den Jahren 1848/1849. Die älteste noch existierende Gewerkschaft ist die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer. Gewerkschaften sind aus den Arbeiterkämpfen der industriellen Revolution entstanden.

Weißt Du, wie die Gewerkschaften sich finanzieren? Durch Mitgliedsbeiträge. Jedes Gewerkschaftsmitglied zahlt einen jährlichen Mitgliedsbeitrag.

Kommen wir zum zweiten Thema dieser Episode: Dem Betriebsrat. Das ist nämlich auch eine gute Sache für die Arbeitnehmer. Sobald ein Betrieb größer ist als fünf ständige Mitarbeiter, darf er einen Betriebsrat wählen. Dieser Betriebsrat ist dann sowas wie eine kleine Gewerkschaft für den Betrieb. Der Betriebsrat verhandelt mit den Arbeitgebern und versucht, einen guten Weg für die Arbeiter zu finden. Natürlich auch im Hinblick auf Tarifverträge und Gewerkschaften. Der Betriebsrat wird für vier Jahre gewählt. Er bekommt dafür kein Geld. Der Chef darf den Betriebsrat nicht einfach kündigen – auch dafür gibt es Regelungen. Wenn ein Arbeiter gekündigt werden soll, muss der Betriebsrat davon erfahren. Er kann dieser Kündigung dann in wichtigen Fällen sogar widersprechen.

Betriebsrat und Gewerkschaft sollen den Arbeitnehmer stärken. Sie sollen für ihn kämpfen und ihn unterstützen. Durch diese Einrichtungen soll sozusagen ein Gleichgewicht hergestellt werden zwischen den Angestellten und ihren Chefs.

SG #196 – Juden in Deutschland

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Ich habe letztens eine Zahl gelesen, die mich überrascht hat. In Deutschland leben weniger als 100.000 Juden. Ich dachte, die Zahl wäre viel höher. Es macht mich traurig, das zu lesen. Zum Vergleich: Es leben über vier Millionen Muslime in Deutschland.

Welche berühmten deutsch-jüdischen Menschen fallen mir ein? Albert Einstein, Heinrich Heine, Karl Marx? Aus der neueren Zeit denke ich an Michel Friedman, den man oft in Talkshows sieht, wenn es um das Thema geht. Er war Politiker und Moderator, er schreibt Bücher und ist Jurist.

In dieser Folge möchte ich über die Geschichte der Juden in Deutschland sprechen. Es ist nicht leicht, alles so kurz zusammenzufassen. Aber es ist wichtig, das Thema nicht zu ignorieren.

Juden leben schon sehr lange in Deutschland. Es gibt Beweise, dass es sie in Köln schon im Jahr 321 gab. Damals war die Stadt noch von den Römern besiedelt. Im 10. und 11. Jahrhundert stieg die Zahl der jüdischen Bürger auf 20.000 an. Jüdische Kaufleute kamen an den Rhein. 1012 wurde die erste Synagoge in Köln gebaut, es wurden jüdische Schulen und Friedhöfe gegründet. Da die Christen damals keine Zinsen verlangen durften, weil es so in der Bibel stand, übernahmen die Juden das Kreditgeschäft. Beide Religionen lebten damals friedlich zusammen beziehungsweise nebeneinander.

Das blieb leider nicht so. Die Kreuzzüge begannen 1096. Menschen zogen in Europa los, um Palästina zu erobern. Auslöser war die Predigt des damaligen Papstes. Bereits auf ihrem Weg wurden Juden ermordet, so auch in der Region um Köln. Sie wurden als Gottesmörder beschimpft. Einige Jahre später wurde beschlossen, dass sie keine Waffen tragen durften. Nochmal hundert Jahre später wurden alle Juden zu unfreien Knechten des Kaisers. Sie mussten sich kennzeichnen. Im 14. Jahrhundert wurden Tausende von ihnen umgebracht.

1348 war die Zeit der Pest. Viele Menschen starben an der Seuche. Wie sich die Krankheit übertrug verstanden sie nicht. Also wurden die Juden verantwortlich gemacht. Ihnen wurde vorgeworfen, Brunnen vergiftet zu haben. Viele von ihnen wurden verfolgt und getötet.

Es ging immer so weiter: Christliche Prediger wetterten gegen Juden. Auch die Schriften von Martin Luther waren antisemitisch. Die Bevölkerung handelte danach und verfolgte sie. Sie wurden vertrieben, auf dem Scheiterhaufen verbrannt oder auf andere Art getötet. Bis 1520 waren sie aus den großen Städten verschwunden. Ghettos entstanden. Wer konnte, der floh nach Böhmen, Polen und Osteuropa.

Um das Jahr 1600 lebten bis zu 10.000 Juden in Deutschland. Auch wieder in den Städten. Das Verhältnis zu den Christen entspannte sich etwas. Nach dem Dreißigjährigen Krieg und der Aufklärung ging es ihnen besser in Deutschland. Weil sie an ihren Namen aber sofort erkannt wurden, gaben sich im 18. Jahrhundert viele von ihnen neue Familiennamen.

Napoleon brachte ihnen erst die Emanzipation, später wieder Einschränkungen. So war es auch später, mal bekamen sie neue Rechte, dann wurden sie ihnen wieder genommen. 1847 wurde ein einheitliches Judengesetz geschaffen. Juden durften danach manche Staatsämter übernehmen und in manchen Fächern als Professoren unterrichten. Juden waren Staatsbürger. Sie begannen, ihre Religion zu reformieren, es gab zum Beispiel erste Predigten auf Deutsch.

Die Reichsverfassung 1871 machte alle deutschen Juden zu gleichberechtigten Bürgern. Der Antisemitismus der Menschen blieb jedoch erhalten. Die jüdischen Gemeinden blühten auf, vielen Juden ging es finanziell sehr gut. Sie waren erfolgreich. Das brachte Neid und Hass. Es gründeten sich erste politische Parteien gegen die Juden. Antisemitismus wurde gesellschaftsfähig.

1933 wurde Adolf Hitler zum Reichskanzler und die systematische Judenverfolgung begann. Ziel war die Vertreibung und Vernichtung der deutschen Juden. 1938 wurden in der Reichspogromnacht Synagogen und jüdische Geschäfte zerstört. Juden wurden in Vernichtungslagern systematisch umgebracht.